Der Aufbruch: Wedel bis Dunquerque (Woche 1)

 Am 10.08.2020 ist es soweit: Wir starten mit Kurs auf die Karibik!

Morgens um 9:00 Uhr legen wir im Wedeler Yachthafen ab. Oma, Mama, Maike und Jule stehen am Steg und winken. Wir werden die Meisten von ihnen jetzt ein Jahr lang nicht sehen! Das trübt die Freude des Aufbruchs etwas. Aber zum Glück gibt es Whatsapp, Instagram und Co, so kann die Familie wenigstens virtuell immer dabei sein. 

Die Tide hat schon gekippt und mit leichtem Ostwind im Rücken kommen wir gut voran. Ab Brunsbüttel können wir den Motor abstellen und die lezten Seemeilen bis Cuxhaven werden nur noch gesegelt. Alles fühlt sich unwirklich an. Ein Jahr sollen wir jetzt unterwegs sein? Ständig wird überlegt, was wir Wichtiges vergessen haben könnten. Portemonnaie und Reisepass? Dabei. Handy? Dabei. Ladegeräte? Hoffentlich auch alle dabei. Impfpässe? Sollten da sein. Ohje. Sämtliche wichtigen Papiere für uns und das Schiff hat Papa in einem Ordner gesammelt, sodass wir beim ein- und ausklarieren alles Wichtige immer parat haben. Ganz langsam kehrt nun auch eine Art Entspannung ein und die Anspannung macht der Vorfreude platz. Bei den herrschenden 30 Grad kann man sich schon fast vorstellen, wie es in der Karibik wird. Nur das Wasser hat dort hoffentlich nicht die Schlick-braune Färbung der Elbe.
Um 19:00 Uhr machen wir dann in Cuxhaven fest. Zur Belohnung gibt es einen sehr leckeren Döner.

Papa beschwört das neue Tablet

Die Elbe (und die Kugelbake von Cuxhaven) liegen hinter uns! (Und es ist 6:20 Uhr morgens, deshalb sehe ich so aus und deshalb ist es ausnahmsweise mal noch nicht 3000°C heiß und ich trage Omas Fleecepulli)


Außerdem sticht mich heute eine gemeine Wespe und ich merke, dass ich doch etwas allergisch auf das Gift reagiere... Nach 3 Tagen ist zum Glück alles wieder normal und ich sehe nicht mehr einseitig aus wie Popeye










Am nächsten Tag stehen wir um 6:00 Uhr auf. Wir wollen die gute Ostwindlage ausnutzen und so schnell wie möglich in Richtung Westen. Es wird ein herrlicher Tag auf der Nordsee, mal mit Spinnaker, mal mit Genua, nur für die letzten Meter wird der Motor gebraucht. Nach 12h Segelei laufen wir nämlich in den Hafen von Norderney ein. Hier kommt die Strömung mit 2,5kn genau von gegenan, sodass wir für die letzten 3 Meilen fast eine Stunde brauchen! Aber dann ist es geschafft und um 19:00 Uhr liegen wir fest im überfüllten Hafen. Abends bekommen wir noch Besuch von Jakob und Franca, Freunden aus Kiel, sowie Francas Schwester Carla. Alle drei jobben hier in den Semesterferien als Surflehrer und kommen abends noch für ein Bierchen an Bord. Und alle drei sind erstaunt, wie geräumig das Schiff doch von Innen ist. Und sogar Jakob hat an einem kleinen Punkt Steh-Höhe! Zusammen lassen wir diesen Tag herrlich entspannt im Cockpit ausklingen.

Ich habe ein Ball gefunden -  und ihn gerettet!

Morgens werden noch ein paar Besorgungen für die Windsteueranlage im ortsansässigen Baumarkt getätigt und dann geht es auch schon weiter. Um den Wind optimal auszunutzen haben wir eine Nacht-Tour geplant. Los geht es mit etwa 3-4 Bft aus O, die gegen Nachmittag eher auf 4-5 auffrischen. Vor allem Papa ist von der Welle überrascht, die sich auf der Nordsee schnell bildet. Ganz schön schaukelig. Zum Glück hält sich die Seekrankheit bei uns beiden bisher in Grenzen. Abends übernehme ich, nachdem ich dann doch eine Vomex essen musste, die erste Wache von 21:00 bis 0:00 Uhr und werde mit einem herrlichen Sonnenuntergang belohnt. Der Wind nimmt leider stetig ab, sodass wir um 3:00, am Anfang meiner zweiten Nachtwache, doch den Motor anschmeißen. Ich bin fix und fertig als Papa dann von 6:00 bis 9:00 Uhr übernimmt, denn so richtig gut schlafen konnte ich bisher nicht. Papa ging es genauso. 

 

So sehe ich eigentlich immer um 4:30 Uhr aus

Deshalb sind wir beide am nächsten Tag ordentlich gerädert. Es wird auch am Tag weiter motort bei unfassbaren Temperaturen. Das Bimini wird aufgebaut, denn in der Sonne kann man es wirklich einfach nicht aushalten bei fast kompletter Windstille und brütender Schwüle. So richtig gut geht es uns beiden nicht, was zum einen der Hitze, zum anderen der Dünung, die immer noch etwa einen halben Meter beträgt, und zu guter Letzt auch unserer Müdigkeit geschuldet ist. Nachttouren zu zweit sind anstrengend, vor allem hier an der Niederländischen Küste, wo es von Fischereibooten und Frachtverkehr nur so wimmelt und man wirklich aufmerksam sein muss.

Wir haben es geschaffft, unser AIS mit dem Navionics auf dem Tablet, welches uns als Plotter dient zu verbinden. So haben wir auch bei schlechter Sicht oder nachts einen super Überblick über die Schiffe um uns herum.  

Gegen 18:00 fängt es endlich an zu nieseln, eine willkommene Abwechslung nach den letzten Tagen. Und um 20:00 machen wir im Hafen von Den Haag, Scheveningen fest. Tag 4 und wir sind schon in Den Haag!! Ein bisschen stolz nehmen wir nach diesem Trip erstmal eine ausgiebige Dusche, denn diese ist umsonst. Anschließend wird noch etwas telefoniert und dann fallen wir fix und fertig ins Bett.

Regen!! Wir sind zwar noch nicht so weit, dass wir ihn als Trinkwasser sammeln, aber freuen tun wir uns doch

Denn Anfang der nächsten Woche bahnt sich ein Tief an, welches starken Westwind bringt. Wir wollen vorher so viel Strecke wie möglich schaffen, um noch vor den Herbststürmen durch den schwierigsten Part der ersten Etappe durch zu sein: Der Biskaya. Das ist der Name der riesigen Einbuchtung Europas, westlich des Ärmelkanals. Die Wassertiefe springt hier schlagartig von tausenden Metern zu wenigen hundert, was bei Wind auf dem Atlantik zu einem außergewöhlich starken Wellengang führt. Außerdem ist durch die Einbuchtung das nächste Festland Tage entfernt, wenn man erstmal losgesegelt ist. Die Überquerung der Biskaya sollte deshalb nur erfolgen, wenn eine stabile Wetterlage für einige Tage vorauszusehen ist. Wir hoffen, anfang September in Brest zu sein, von wo aus die Überquerung starten kann, sodass wir noch genug Zeit haben, ein passendes Wetterfenster zu finden bevor im Oktober die ersten richtigen Herbststürme kommen.

Der Schmetterling hat eine kleine Rast bei uns eingelegt. Tonti meint, er hat ihn uns aus Berlin geschickt, also: Vielen Dank dir Tonti, er war sehr nett und hat versucht aus meinem Finger Nektar zu saugen! Ich hoffe er ist gut zu dir nach Berlin zurück gekommen!

Also weiter richtung Westen. Zunächst wieder mit Motor, und nachmittags, als der Wind von SW auf W dreht dann endlich wieder unter Segeln. Was tut diese Ruhe gut! Und auch an dies stetige Welle gewöhnen wir uns langsam. Ich kann sogar während der Fahrt lesen, aufs Handy gucken oder Blog schreiben!  Langsam kommen wir richtig rein in den Alltag an Bord und beschränken unsere Tagesaktivitäten nicht mehr auf stures "Auf den Horizont blicken". Und auf einem strammen Amwind-Kurs machen wir immer noch gut 5kn! Doch wie so oft hält der Wind nicht lange, und so motoren wir zu guter Letzt doch wieder. Was wirklich cool ist, ist unsere Radaranlage. Da es heute super diesig, und teilweise sogar richtig neblig mit Sichtweiten von unter 100m ist, schmeißen wir dieses das erste Mal an. Papa hatte sie gebraucht erstanden und ich hatte die Kabel verlegt. Und sie funktioniert hervorragend! Eine perfekte Ergänzung zum AIS, und es sind sogar die Fahrwassertonnen als kleine Punkte zu erkennen. Doch auch wenn man alle Elektronik benutzt, das herannahende Schiff sowohl auf dem Radar als auf dem AIS sieht und vielleicht sogar bei Marinetraffic ein Bild des Schiffes aufrufen konnte, ist es immer noch gruselig, wenn plötzlich aus dem Neben keine zweihundert Meter hinter einem ein riesiger Frachter kreuzt.

Nochmal ein Bild von der Tour nach Den Haag. So eine Nacht-Tour hat auch unfassbar schöne Momente


Abends, gegen 21:00 kommen wir dann in Brügge an. Tag 5 und wir haben es schon bis nach Belgien geschafft! Mächtig stolz fallen wir fix und fertig in die Koje. Die Häfen hier an der Nordküste Europas sind bisher eher mäßig schön, meist von riesigen Molen vor den häufig herrschenden Westwinden geschützt und deshalb auch mit viel Industrie. Wenn man die schnuckeligen dänischen oder norwegischen Häfen gewohnt ist, ist das eine ganz schöne Umstellung!

Am nächsten morgen geht es weiter. Einen Tag Belgien und nun ist unser nächstes Ziel natürlich: Frankreich! Also los, bei leichtem Gegenwind und weiterhin drückernder Schwüle. Der Regenschauer am Nachmittag ist wieder eine Erleichterung und auch die Shanty freut sich über die Süßwasserdusche. Heute sind wir endlich Mal früh im Hafen von Dunquerque (ausnahmsweise war unser Tagesziel heute nicht einmal 50sm entfernt), sodass wir den wirklich super netten Hafenmeister nach Fahrrädern fragen. Und siehe da: umsonst dürfen wir uns die Räder für den Rest des Tages ausleihen. Es fühlt sich zum ersten Mal richtig wie Urlaub an! Wir radeln durch Dunquerque, schauen uns die Altstadt an und machen anschließend noch einen kleinen Strandspaziergang. Komplett ohne Stress. 

Die Kulisse des Hafens sieht vom Strand in Dunquerque wirklich nicht allzu schick aus...Dafür die Innenstadt umso mehr! (Siehe nächstes Bild)
 

Danach wird gekocht und der Sekt aufgekorkt, den wir noch von dem Besuch meiner Freundin Isi und ihren Freunden an Bord haben (und natürlich im Kühlschrank!). An dieser Stelle ein dickes Danke!!

Papa hat sichtlich Spaß am Rad fahren. Man sitzt an Bord auch relativ viel rum muss man sagen, die Aktivität tut richtig gut!

Mal schauen, wie weit wir die nächsten Tage kommen, denn ab übermorgen (Montag), ist ordentlich Westwind angesagt, also Wind genau von gegenan. Da werden unsere Tagesstrecken zwangsläufig kleiner werden. Aber jetzt sind Papa und ich erstmal stolz: Fast 400sm in nur 6 Tagen! Wir sind unterwegs!!!

So sieht ein glücklicher (und schon unverschämt brauner) Papa aus!


Kommentare

  1. Da will ich doch auch sofort los. Bin schon voll drin in eurem Bericht. Gruß an die Bretagne, da war ich gerade noch...Gabriela

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  2. "Ahoi" und viele viele
    Grüße, ---⛵----
    °
    °°
    ><((((°>

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  3. weiterhin viel glück und viel spass. Passt auf euch auf! liebe grüsse

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