7 Tage Hohe See - Teneriffa bis Banjul

 Ein weiterer rekordverdächtiger Törn liegt hinter uns. Von Europa bis nach Afrika, von gewohntem Terrain mit Einkaufsmöglichkeiten wie LIDL und Decathlon sowie gut ausgestatteten Hafenanlagen zu Ankern in Flussbiegungen und gambischen Märkten. Aber bevor ich mehr auf dieses fantastische Land eingehe erstmal ein paar Worte zu der Überfahrt.

Auf gehts! Erst noch dick eingepackt, denn im Wind und ohne Bewegung wird es schnell kalt. Profis sehen direkt, dass ich auf diesem Bild etwas seekrank bin (siehe etwas krampfhaftes Festhalten, erhöhte Position mit gutem Ausblick zum Horizont anschauen und ein bisschen gequältes Lächeln)

 Nachdem wir die Entscheidung gefasst hatten, nach Gambia weiter zu segeln, ging alles ziemlich schnell. Einkaufen, Reperaturen, Impfung, und dann waren wir plötzlich so weit, den bisher längsten Trip zu starten. Am Freitag nachmittag den 04.12. legen wir um etwa 16:00 von Teneriffa ab, etwa zur gleichen Zeit schmissen Martin und seine Familie von der IVALU und Thomas plus Mitsegler auf der IRMI in Las Palmas auf Gran Canaria die Leinen los. Wir setzen die Segel und es geht bei anfänglich entspanntem Wind und wechselhaftem Wetter in richtung Süden. Über Teneriffa regnet es, wir genießen einen wunderschönen Sonnenuntergang. Über Nacht schläft der Wind noch einmal ein, und wir müssen zu unserem Ärger motoren, da bei den hin und her schlagenden Segeln sonst niemand ein Auge zu machen kann. Allerdings wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dies unsere einzigen 6h unter Motor sein sollten, bis wir eine Woche später in der Flussmündung des Gambia einlaufen sollten. Denn am Morgen den zweiten Tages frischt der Wind auf und wir sind froh, schon ein Reff im Groß eingebunden zu haben. Mit gutem Speed geht es voran, unsere kleine Shanty klebt eigentlich dauerhaft über 5 Knoten! 

Das Groß im zweiten Reff und die Genua zu einem Drittel eingerollt segelt sich die SHANTY bei 6-7Bft richtig gut!
 

An Tag drei frischt es weiter auf, sodass wir sogar im zweiten Reff fahren und zusätzlich die Genua auf etwa ein Drittel ihrer eigentlichen Größe verkleinen. Bei zeitweise bis zu 35kn schräg von achtern fliegen wir nur so über die Wellen, die bei der Windstärke ganz schön steil sind. Zum Glück können wir über unser Satellitentelefon Wetterupdates abrufen, sodass wir uns einigermaßen sicher sein können, dass der Wind nicht noch stärker wird. Das Wetter war zwar ungemütlicher als gedacht, aber aber aushaltbar. Tagsüber dreht der Wind meistens etwas östlich, sodass wir auf einem nassen Halbwindkurs unterwegs sind, gegen Abend dreht er zurück richtung Nord, sodass meist die erste Hälfte der Nacht mit dem neu einstellen der Segel und der Windsteueranlage verbracht wird. Diese steuert wunderbar, ist aber bei manchen Kursen (zum Beispiel Halbwind oder Vorwindkurs mi Groß und Genua) sehr empfindlich und braucht perfekten Segeltrimm und Leineneinstellung. Wir lernen mit jedem Tag dazu und die Einstellungen klappen immer schneller und sicherer.

Wechselhaftes Wetter an den ersten beiden Tagen

 Die relative Eintönigkeit unserer Tour (richtig eintönig ist es nie, ich kann stundenlang einfach in die Wellen starren, ohne dass es langweilig wird, aber viel zu sehen gibt es eben eigentlich nicht auf hoher See) wurde an Tag 3 unterbrochen, als ich voraus etwas treiben sehe. Es setllt sich als Fischerboot heraus, wahrscheinlich aus Marokko. Der anfängliche Adrenalinstoß verebbt etwas, als wir näher kommen und erkennen können, dass das Schiff komplett leer ist. Etwa 7-8m lang, offen und komplett aus Holz liegt es trotz des Seegangs ruhig in den Wellen. Bis auf ca. 10m trauen wir uns heran, verzichten aber aufgrund der hohen und steilen Wellen und des Windes (5-6Bft) darauf, den ziemlich gut aussehenden Außenborder zu bergen oder das Schiff auf den Haken zu nehmen. Wo sollen wir es auch hin bringen? Die marokkanische Küste ist mehr als 150 Seemeilen entfernt und weiter südlich, in Mauretanien ist Sperrgebiet und jeder Versuch, das Land zu erreichen würde wahrscheinlich von Männern mit Maschinengewehren abgewehrt werden. Also lassen wir das Fischerboot treiben und setzen unsere Reise fort. Ein sehr komisches Gefühl, dieses herrenlose, zwar leere aber sonst komplett intakte Schiff mit wahrscheinlich funktionierendem Außenborder einfach so hinter uns kleiner werden zu sehen. Bei der Windrichtung müsste es in ein paar Wochen in der Karibik ankommen...

Ein mutmaßlich marokkanisches Fischerboot. Hier sieht es so aus, als hätten wir es einfach bergen können, aber es herrschten 20kn und es stand 2m Welle, sodass wir in der Gefahr waren, die SHANTY zu beschädigen wenn wir näher heran gefahren wären

 Ansonsten merken wir, wie es spürbar wärmer wird. Anfänglich noch für jede Nachtschicht dick in Pulli, Jacke und Ölzeug eingepackt ist es jetzt selbst in den Nächten richtig mild. Obwohl wir dank Spritzwasser trotzdem noch fast dauerhaft Ölzeug tragen. Außerdem tragen wir alle auf der gesamten Fahrt Schwimmwesten inklusive Sicherheitsleinen, mit denen wir uns auch häufig einpicken. Bei dem herrschenden Seegang würde man eine über Bord gegangene Person spätestens nach 10 Sekunden aus den Augen verloren haben. Außerdem führt der Seegang zu ziemlich unruhigen Nächten. Wir alle schlafen nicht besonders gut, denn die Welle kommt häufig aus verschiedenen Richtungen. So gibt es kein entspanntes Geschaukel sondern eher einen tagelang anhaltenden Rodeoritt. Wir fragen uns mehr als einmal, ob es an der Größe unserer kleinen SHANTY liegt, oder ob auch die anderen beiden Schiffe so durchgeschaukelt werden. Ein bisschen entspannter haben wir uns das Ganze schon vorgestellt!
So waren wir die erste Hälfte der Tour unterwegs. Dick eingepackt und Schwimmweste mit Sicherungsleinen. Auf der zweiten Hälfte änderte sich eigentlich nur die Anzahl der Lagen an Klamotten

 Auch die Seekrankheit begleitet vor allem Papa und mich permanent. Ich hatte wirklich gehofft, dass es nach einigen Tagen besser werden würde, aber als ich nach Tag 5 versuche, ohne die Seekrankheitstabletten auszukommen und mich in Folge dessen mehrmals Fische fütternd über die Reling hängen muss, muss ich wohl einsehen, dass ich wohl einfach nicht seefest werde. Ich glaube ich habe jetzt wirklich alle Alternativen ausprobiert, von dauerhaftem Ingwer kauen über Akupressur-Armbänder, regelmäßigen kleinen Mahlzeiten, viel trinken, keine Tomaten, keinen Alkohol sowieso und und und. Die Dimenhydrinat-Tabletten sind bisher das Einzige, was einigermaßen hilft. Also, falls noch jemand Ideen hat, immer her damit!

Ein Delfin im Anflug! Bei 30kn von achtern fliegen wir mit ihnen um die Wette.

 Mit der Wärme sehen wir auch immer mehr fliegende Fische. Anfänglich freuen wir uns über jeden Einzelnen, aber nachdem einer von ihnen mitten in Maltes Gesicht landet, ist die Begeisterung etwas verkleinert. Denn die Dinger stinken ganz schön und haben noch dazu hartnäckige Schuppen, etwa wie Heringe. Nachts sehen sie das Schiff nicht und landen auf ihren Flügen häufiger auch an Deck, wo sie erstmal hilflos zappeln und dann, wenn man sie nicht findet und direkt wieder in den Atlantik befördert, leider sterben. Morgens müssen wir immer ein paar vom Vordeck räumen. Es ist immer sehr spannend, bei den Nachtschichten im Cockpit zu sitzen, wenn man im Hinterkopf hat, dass einem jederzeit ein etwa 20cm langer Stinkefisch ins Gesicht fliegen kann. 

Dieser arme Kerl ist gegen unsere Rettungsinsel geflogen und zappelte anschließend hilflos herum. Malte hat ihn natürlich direkt nach dem Foto zurück ins rettende Wasser geschmissen

Ansonsten ist fast jede Nacht von richtig schönem Meeresleuchten erfüllt. Am faszinierendstem sind die Delfine, die uns Nachts begleiten und aussehen, wie riesige Sternschnuppen unter Wasser. Um sie herum ist so viel Bioluminiszenz, dass sie einen richtigen Schweif davon hinter sich her ziehen. Es sieht richtig schön und fast unwirklich aus.

Bei durchgehend 5 Bft, manchmal bis zu 7 Bft, machen wir Rekordgeschwindigkeit. Wir können es selber kaum glauben aber unsere Durchschnittsgeschwindigkeit, die so gut begonnen hatte, ist auch an Tag 6 noch bei guten 5,8kn! Und wir dachten, auf der Fahrt nach Porto Santo wären wir schnell gewesen.

 Am Abend des sechsten Tages laufen wir an Dakar vorbei. Endlich entspannt sich die Welle und wir alle, komplett übermüdet von den letzten Tagen, können in unseren Freiwachen endlich wieder richtig tief und entspannt schlafen. Die Nachtwachen werden dafür super spannend, denn langsam geht es richtung Gambia und das Meer ist voll mit kleinen Fischerbooten. Die klassischen Fischerboote hier sind sogenannte Pirogen. Sie sehen aus wie große Kanus und sind mit Außenbordern ausgestattet. Natürlich hat keines von ihnen AIS und auch Positionslichter, so wie wir sie kennen, gibt es hier nicht. Die meisten dieser Boote sind nur mit einem winzigen Licht ausgestattet, in den unterschiedlichsten Farben, manche rot, einige blau, manche grün. Einige blinken, andere nicht. Man kann die Entfernungen dieser Schiffe super schlecht einschätzen, da man eben nicht weiß, wie groß das Licht und das dazugehörige Schiff jeweils ist. Viele von ihnen haben jedoch an Bord eine Feuerstelle. Normalerweise ist diese mit einem Deckel zugedeckt. Wenn man den Pirogen aber zu nahe kommt, heben die Fischer den Deckel an, damit man das Schiff im Feuerschein besser sehen kann. Ein bisschen gruselig, aber auch ziemlich nützlich, denn so überstehen wir diese letzte abenteuerliche Nacht auf See ohne Karambolage

 

An einem Tag machen wir einen Wettbewerb, wer seinen Lolli am schnellsten auf-lutschen kann. Man wird schon kreativ auf solchen Langfahrten. Hier ist Malte voll in Lolli-Action.

Und so sieht das dann anschließend aus!


  
 

Am siebten Tag laufen wir dann in die Mündung des Gambia Rivers ein, nach Banjul. In der Mündung angeln wir noch drei ordentliche Bonitos, die Malte mittlerweile richtig schnell und routiniert filetiert. Je näher wir der Stadt kommen, desto weniger Wind, sodass wir wieder motoren müssen. Nicht schlimm, denn wir haben gerade über 900sm unter Segeln zurück gelegt! Immer näher kommen wir der Stadt, die trotz der überschaulichen Zahl von nur 31.000 Einwohnern die Hauptstadt Gambias ist. Der Hafen ist zwar sehr wild (die Frachtschiffe ankern krez und quer vor den Docks), aber sehr geschäftig und es liegen einige Containerschiffe an den Piers. Man fühlt sich fast wie im Hamburger Hafen, bei den ganzen "Hamburg Süd" und "Maersk" Containern.

Ganz der Touri, in der Mündung vom Gambia River
 

Und dann, um 16:30, ziemlich genau 7 Tage nach unserem Aufbruch in Teneriffa, schmeißen wir unseren Anker in Gambia, vor Banjul. Der Stadtteil, in dem der Hafen liegt heißt "Half Die", da in einer Epidemie im Jahr 1869 die Hälfte der Bevölkerung an Cholera gestorben ist! Ganz schön makaber...

Wir haben Glück, denn Martin plus Familie von der IVALU sind am Morgen eingelaufen und gerade fertig mit einklarieren, sodass sie uns noch ein paar hilfreiche Tipps geben können, bevor sie an einen gemütlicheren Ankerplatz wechseln. Wir wechseln ein paar Worte und sind überglücklich, diese Strecke in dieser Zeit geschafft zu haben. Jetzt "nur" noch einklarieren... Ein Abenteuer für sich, aber das kommt dann ganz bald im nächsten Post!

Ein bisschen erschöpft, aber sehr stolz!


Kommentare

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    |…Ich wünsche ..........|
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    |......und alles Gute......|
    |....fürs Neue Jahr!.......|
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