(Surf-)Paradies in Cabo Verde - Lamin Lodge bis Palemeira (Sal)

 Nach unserem Abschied in Gambia sind wir nun erstmal wieder auf See. Etwa 430 Seemeilen, also 800km liegen vor uns. Die Vorhersage ist perfekt, der Passatwind soll die nächsten Tage etwas abgeschwächt und östlicher, mit max. 20kn pusten, und die Welle im Bereich von 2-3m bleiben. Wir sind also guter Dinge, wenn auch sehr gespannt darauf, wie sich die SHANTY auf diesem Kurs schlägt. Bis jetzt hatten wir den Wind auf allen längeren Touren von achtern, also von hinten. Ein meistens sehr entspannter Kurs, weil Wind und Welle das Schiff quasi vor sich her schieben. Unsere nun anvisierte Route richtung Sal ist ein Halbwind bis Amwind Kurs, Wind und Welle kommen dabei schräg von vorne. Normalerweise eine eher ungemütliche Art des Segelns, da das Schiff sich leicht in den Wellen feststampfen kann und dann nur ziemlich langsam von der Stelle kommt. Da die Bedingungen für uns auf unserem Rückweg in den Norden bis zu den Azoren sehr ähnlich sein werden, ist diese Tour eine Art Probe-Törn. Wir sind sehr gespannt, wie "schlimm" sich das Ganze auf der SHANTY anfühlen wird. Vorsichtshalber haben wir die Genua, also das große Vorsegel abgebaut und stattdessen die kleinere Fock eingezogen. So sind wir auch für etwas stärkere Winde gut vorbereitet.

Die Nordost-Ecke der Insel hat wunderschöne Felsformationen zu bieten, da wandert man gerne auch mal 21km hin...
 

Aber erstmal müssen wir aus der spiegelglatten Flussmündung des Gambia River auf den offenen Atlantik. Den ersten Teil des Weges sind wir nämlich noch in der Wind- und Wellenabdeckung des Cape Vert, des Kaps, auf dem auch die Hauptsadt Senegals, Dakar, liegt. Statt des erwarteten Halbwind-Kurses kommt der Wind zunächst durch die Ablenkung am Kap genau von vorne. Die ersten Stunden werden also durchmotort. Wir sind sehr schnell sehr froh, noch relativ früh am Tag losgekommen zu sein, denn überall um uns herum arbeiten die Fischer auf ihren kleinen Pirogen. Zwischen den ankernden Schiffen schwimmen kilometerlange Treibnetze, nur durch winzige Styropor-Schwimmer gekennzeichnet und deshalb selbst bei strahlendem Sonnenschein erst wenige Meter vor einem Zusammenstoß zu sehen. Im Slalom schlängeln wir uns durch das Netz-Labyrinth an den Pirogen vorbei, auf denen uns die Fischer freundlich zuwinken. Als Malte eine kleine Zählung vornimmt, entdeckt er über 50 kleine Fischerboote auf einen Streich! Und das bei durch den Wüstenstaub sehr eingeschränkter sicht...

Angekommen auf den Kap Verden. Und sehr fotogene nette neue Freunde kennen gelernt!

Als sich die Dämmerung nähert überqueren wir die 20m Tiefenlinie. Hinter dieser Linie sind nur noch sehr vereinzelt Pirogen unterwegs, denn hier ist es zu tief zum Ankern. Endlich können wir uns etwas entspannen und müssen nicht ständig Ausguck halten. Immer noch kommt der Wind von vorne und frischt sogar noch auf etwa 15kn auf... so haben wir uns das nicht vorgestellt! Immerhin ist die Welle durch die Abdeckung immer noch so gut wie nicht vorhanden. Mit der Dunkelheit kommen die größeren Fisch-Trawler, natürlich zu 50% ohne AIS. Also ist weiterhin aufpassen angesagt. Ein Trawler fährt genau auf unserer Route, und wenn wir den Kurs etwas verändern tut er das Gleiche. Wir versuchen, ihn über Funk zu erreichen. Kaum spricht Malte "Fish-Trawler, Fish-Trawler, this is Shanty" ins Funkgerät, gehen sämtliche AIS-Signaler der umliegenden Trawlern aus. Dass hier relativ viel illegaler Fischfang vonstatten geht, wird immer deutlicher. Natürlich antwortet auch keiner über Funk. Also weichen wir in einem radikaleren Bogen aus und können den Trawler schlussendlich doch noch überholen. Eine Stunde später, es ist mittlerweile Dunkel, taucht plötzlich nur wenige hundert Meter vor uns ein großer, komplett unbeleuchteter Trawler auf! Oh man, zum Glück hält immer einer von uns Wache, sodass wir auch hier rechtzeitig ausweichen können.
Ein paar Stunden später haben wir es dann endlich geschafft, wir sind außerhalb des Fischereigürtels. Außerdem dreht der Wind langsam von Nordwest über Nord auf Nordost, sodass Malte um 4:00 morgens den Motor ausschalten kann. Unter gerefftem Groß und Fock machen wir direkt gute Fahrt am Wind. Die Krängung, also die Schrägheit des Schiffes, hält sich in Grenzen und auch die Welle kann die SHANTY nicht großartig stoppen. Es segelt sich richtig gut!

 

Beim Aufstieg auf den Monte Grande müssen wir aufpassen, der Untergrund besteht teilweise aus ziemlich losem Sandgestein. Dafür zeigen sich faszinierende Formationen, und die Perspektive lässt Malte ganz klein aussehen

Die nächsten zwei Tage verlaufen sehr entspannt ohne größere Zwischenfälle. abends nimmt der Wind meistens etwas zu, sodass wir das zweite Reff in das Großsegel einziehen. Ab und zu sehen wir ein paar Delfine, ansonsten verbringen wir unsere Zeit mit lesen, naschen, schnacken und schlafen. Die welle wird von Tag zu Tag etwas mehr, ist aber die ganze Zeit gut auszuhalten. Die SHANTY zeigt sich schon wieder von ihrer allerbesten Seite, unsere Durchschnittsgeschwindigkeit erhöht sich von anfangs 5,0kn mit jedem Tag, am vierten Tag liegt sie bereits bei 5,6kn! Wir haben Glück mit dem Wind, er kommt größtenteils aus Nordost und damit von der Seite.
Am Morgen des Vierten Tages ist die Welle dann doch etwas nervig und als wir uns endlich zum Frühtück aufraffen können und alle mit geschmiertem Brot eingeklemmt im Cockpit sitzen steigt die erste und einzige Welle auf diesem Törn ins Cockpit ein. Von jetzt auf gleich sitzen wir 10cm tief in einer Badewanne, sämtliche Brote und Hosen sind nass. Na toll! Das Wasser läuft zum Glück schnell durch die Lenz-Ventile ab, aber das Frühstück können wir nur noch den Fischen zum Fressen geben (aber die freuen sich bestimmt auch über drei leckere Käsebrote!). Uns ist erstmal der Appetit vergangen und wir freuen uns immer mehr auf die Ankunft. Bei unserem Speed erwarten wir, gegen Nachmittag in Palmeira anzukommen, etwa 18h eher als erwartet. 

In Santa Maria, im Süden der Insel Sal, finden wir tolle Muscheln
 

Wir kommen Sal immer näher, aber immer noch ist kein Land in Sicht. Langsam kommen uns ein paar Zweifel... stimmt unser GPS nicht? Haben wir uns versegelt? Dann endlich, etwa 10 Seemeilen vor der Insel taucht im Dunst ein Berg auf: der Monte Grande, mit 406m der höchste Berg der Insel. Durch den Wüstenstaub ist die Sicht hier einfach so schlecht, dass man nicht viel weiter gucken kann. Also sind wir doch auf dem richtigen Weg und umrunden am Nachmittag die Nordspitze der Insel. Die letzten Meilen bis zum Hafen können wir wieder vor dem Wind segeln und gegen 16:30 Uhr biegen wir um die Mole in den vor Welle geschützen Ankerbereich. Auch hier pustet der Wind noch mit 25kn über die Insel und wir fühlen uns vor Anker am Rande des Hafenbereiches etwas unsicher. Kurz nachdem der Anker unten ist, kommt Jay in seinem kleinen Holz-Boot angetuckert und heißt uns sehr herzlich willkommen. Jay hilft den Seglern hier bei Allem was anfällt: Beim Einklarieren, Wasser oder Diesel bunkern, Wäsche waschen und so weiter. Er zeigt uns direkt einen Platz weiter hinten in der Bucht, mitten im etwas unübersichtlichen Ankerfeld und noch etwas geschützter, sodass wir doch noch einmal umziehen. Etwas geschützter heißt hier allerdings nur etwas weniger Swell, der Wind bläst auch hier ordentlich. Nach Gambia müssen wir uns daran erstmal gewöhnen. Als der Anker hält und langsam Ruhe einkehrt können wir uns endlich etwas entspannen. Da wir für das Einklarieren heute zu spät sind, dürfen wir eigentlich nicht mehr an Land und wollen uns schon gemütlich machen. Dann kommt Jay aber noch einmal mit seinem Tuckerboot an und flüstert uns zu, dass es um 19:00 Uhr dunkel wird, und dann sieht die Polizei nicht mehr, ob wir an Land fahren. Das Restaurant seiner Schwester läge direkt am Hafen, dort gebe es Wlan und leckers, günstiges Essen. Das klingt zu verlockend und um kurz nach 7 sitzen wir zu dritt im flott aufgepusteten Dinghi. Jay hat nicht zu viel versprochen: Nach 4 Tagen auf See schmeckt das Essen doppelt gut. Und wir treffen sogar noch total nette andere Segler, die auch hier vor Anker liegen. Unter anderem ist eine französische Familie mit zwei kleinen Kindern dabei, die genau den gleichen Zeitplan haben wie wir. Auch sie müssen Ende Juli zurück in Deutschland sein und wollen von hier, ohne den Schlenker in die Karibik, in den Norden auf die Azoren. Es tut sehr gut zu hören, dass wir nicht die Einzigen mit diesem Plan sind!

Na, wer findet die SHANTY? Jay weist uns einen entspannten Ankerplatz mitten im Ankerfeld zu und mit zwei Ankern fühlen wir uns auch bei Böen bis zu 30kn sehr wohl

 

Für 4 Tage mieten wir uns einen Suzuki Jimny, um die verschiedenen Surfmöglichkeiten auszuprobieren. Leider ist das Mieten von Autos hier sehr teuer, deshalb geben wir ihn nach den 4 Tagen schweren Herzens zurück (und fahren ab jetzt mit Busode Taxi zum Spot)... macht schon Spaß mit so einem Geländewagen über die Insel zu heizen!

 

Am nächsten Tag, wir warten auf die Nachricht von der Hafenpolizei, dass wir zum Einchecken an Land kommen dürfen. Währenddessen bringt uns ein holländischer Schiffsnachbar Brötchen vorbei, ein polnischer kommt auf einen Schnack im Dinghi längsseits. Es ist unglaublich nett hier! Dann haben wir noch Glück, denn obwohl es Sonntag ist, kommt die Ärztin vorbei, um unsere negativen Corona-Tests zu kontrollieren! Anschließend dürfen wir endlich einchecken und sind danach frei! Wir erfahren, dass andere Segler, die ohne Test gekommen waren, teilweise 12 Tage auf diesen warten mussten, in Quarantäne an Bord! Wir sind sehr froh, dass wir das Testen schon in Gambia erledigt haben...

Im Norden der Insel finden wir leider neben einem wunderschön einsamen Strand super viel Müll. Es ist traurig zu sehen, dass der Müll selbst an den einsamsten Plätzen der Insel angeschwemmt wird...

 Die nächsten Tage lernen wir die schöne Insel Sal kennen. Eigentlich gibt es auf der 36.000 Einwohner Insel nur drei Dörfer: Palmeira, das Fischerdorf vor dem wir ankern, Espargos ist der Mitte der Insel (hier wohnen die meisten Locals) und Santa Maria ganz im Süden, voll mit Hotelanlagen und Restarants und somit sehr touristisch. Wir verlieben uns in Palmeira. Die Fischer hier sind unfassbar freundlich, aufgeschlossen und wissen vor allem, wie man gute Partys feiert. Einige Male versacken wir abends in verschiedenen Bars, in der die Locals bei Livemusik und viel Gelächter tanzen. Wir sind schon wieder in einer von Covid verschonten, heilen Welt gelandet. Insgesamt gibt es auf Sal 2 aktive Corona-Fälle, und trotz der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Läden können wir uns ansonsten komplett frei bewegen. Dies ist auch einer der Gründe, warum wir länger bleiben, als anfänglich erwartet: Während Sal kaum Coronafälle zu verzeichnen hat, sieht das auf den anderen Inseln nicht so rosig aus. Sao Vicente zum Beispiel zählt knapp 300 aktive Fälle, weshalb auch die Restriktionen schärfer sind. 

Mit René (ganz links) und Kristof (zweiter rechts offensichtlich, denn den Rest kennt ihr ja) erkunden wir die Insel

 Ein weiterer Grund sind die perfekten Wassersportbedingungen auf Sal. Wir können Kiten, Windsurfen, Wellenreiten und, an den wenigen Tagen mit weniger Wind, auch Schnorcheln, Freediven und Harpunenfischen. Das wird natürlich ausgenutzt und es gibt keinen Tag, an dem wir nicht im oder auf dem Wasser sind. Wir verstehen uns super mit den anderen Seglern, es fühlt sich schnell wieder wie Familie an. Ich bringe Michal, einem der beiden Polen die hier ankern, das Kitesurfen bei (bei ziemlich schwierigen Bedingungen, Welle und kein Stehbereich. Er schlägt sich super gut und nach dem dritten Tag steht er stolz auf dem Brett!), und er gibt uns im Austausch ein bisschen Freediving-Unterricht (denn er hatte auf den Kanaren ein paar Freediving Kurse belegt). 

Michal an Tag 1...

und an Tag 4!
 

Mit dem Holländer René machen wir eine 21km lange Wanderung auf den mit 406m hohen Monte Grande höchsten Berg der Insel. Mit Michal gehen wir einige Male Harpunenfischen und Malte erwischt eine Sepia, die wir abends gemeinsam zubereiten und verspeisen (nachdem ich die beiden endlich davon überzeugen kann, dass der Fisch nicht giftig ist, auch wenn er schon komplett Pfannenfertig immer noch floureszierend seine Farbe ändert... sieht wirklich spannend aus!). Wir suchen verzweifelt die Haie am Shark Beach, nachdem die französische Familie uns erzählt hatte, dass es dort von kleinen Haien nur so wimmelt. In den Erzählungen sind die etwa 30-40cm kleinen Haie im Knietiefen Wasser um die Beine der Kinder herumgeschwommen. Vielleicht haben die Kinder besonders lecker gerochen, denn wir sehen dort keinen einzigen Hai, und nach 20min durchpusten lassen im knietiefen Wasser geben wir es auf.
Die Abende verbringen wir meist im Capricornio, dem Restaurant direkt am Hafen. Dort lassen wir die Tage mit dem ein oder anderen Bier und den anderen Seglern sowie so manchem Local ausklingen.

Jeden Tag zwischen 18 und 25 Knoten... ziemlich paradiesisch! "Leider" überall Wellen, Malte freut sich, ich finde mich damit ab

 

Air-Jibe von Malte
 

Im Moment sind wir also immer noch in Palmeira und zusammen mit Chris, Michal und René fühlen wir uns mittlerweile quasi schon als Stammcrew. Wir wollen noch ein bisschen bleiben und dann langsam die anderen Inseln erkunden. Sobald sich ein gutes Wetterfenster für die Fahrt richtung Norden auftut wollen wir dann den Rückweg starten.

Traumhafte Aussichten. Wir freuen uns auf die nächste Zeit hier!




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